Ein besonderer Lyrik-Fan bin ich zwar nicht, aber einige, wenige Gedichte kenne ich seit meiner Schulzeit auswendig. „Stufen“ von Hermann Hesse“ gehört dazu. Ich finde es in jeder Hinsicht großartig: seine anfangs etwas komplizierte Reimstruktur, die bildhafte, wunderbare Sprache und natürlich der Inhalt: ein Aufruf zum Wandel. Veränderung ist natürlicher Teil des Lebens und wir sollen sie vorantreiben, um immer höhere Lebensstufen zu erreichen.
Transformation in vielen Unternehmen sehen oft eher so aus: Zunächst wird der „Sense of Urgency“ hergestellt, indem eine Gefahr beschrieben wird: die geänderten Marktverhältnisse, die Digitalisierung oder irgendeine Disruption bedroht das Geschäft und „zwingt uns zur Veränderung“. Anschließend wird dann ein großes Programm aufgestellt, dass von Change Managern gegen kulturelle Widerstände durchgesetzt werden muss. Da wünscht man sich Hermann Hesses Leichtigkeit, wenn er schreibt: „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten“.
In den letzten Monaten habe ich viel über seine Zeilen nachgedacht. Ich hatte nach mehreren beruflichen Stationen ein für mich sehr gutes Setup gefunden: ein Job, der Spaß macht, ein junges Team, eine tolle Kultur und dann auch noch ein profitables Unternehmen in einer wachsenden Branche. Was will man mehr? Warum etwas ändern?
In „Stufen“ heißt es:
„Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“
Ich werde mich also wieder auf die Reise begeben und nach einer Auszeit mein eigenes kleines Unternehmen starten. Dann hoffe ich, dass es stimmt, was Hesse schreibt:
„… jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
