1. Zufriedene Mitarbeitende - im Einzelhandel?
Am Sonntag habe ich auf Deutschlandfunk ein ausführliches Interview mit Christoph Werner, dem CEO von dm, gehört. Und fast alles, was er sagte, hat meine volle Zustimmung gefunden.
Besonders spannend: dm wurde gerade in der stern-Statista-Studie 2025 zum beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands gewählt - Platz 1 unter 650 Unternehmen, mit Bestnoten in den Kategorien Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur. Auch das Ranking der besten Arbeitgeber für Frauen führt dm an.
Das ist bemerkenswert, weil man den Einzelhandel nicht unbedingt mit Traumarbeitsplätzen verbindet:
- Löhne sind vergleichsweise niedrig,
- Remote Work ist kaum möglich,
- und hippe New-Work-Benefits lassen sich dort schwer umsetzen.
Und doch sind die Mitarbeitenden bei dm so zufrieden wie nirgendwo sonst.
2. Vision, Mission und Werte - kein Pflichtprogramm, sondern Kern des Denkens
Wenn man Christoph Werner zuhört, wird klar warum. Er spricht über Vision, Mission und Werte - nicht als Pflichtübung, sondern als Kern unternehmerischen Handelns.
Fragen wie:
- Warum tun wir das, was wir tun?
- Welchen Mehrwert schaffen wir für die Gesellschaft?
- Mit welcher Kultur erreichen wir diese Ziele?
… durchziehen sein gesamtes Denken.
Ich kenne es aus meine Gesprächen mit vielen Führungskräften meistens anders: Oft ist subtil spürbar, dass viele diese Themen eher als „notwendiges Beiwerk“ für die junge Generation betrachteten - aber insgeheim für überflüssig hielten.
Bei dm dagegen spürt man: Es ist ernst gemeint.
3. Begriffe prägen Kultur
Ein Detail, das mich beeindruckt hat: Werner achtet sehr genau auf Sprache. Er spricht nicht von „Filialen“, sondern von Drogeriemärkten vor Ort.
Warum? Weil Sprache Haltung prägt. „Filiale“ klingt nach einem Anhängsel eines Konzerns. „Drogeriemarkt vor Ort“ klingt nach Eigenverantwortung für die Kunden in der Region.
Oder, wie er selbst sagt: „Über Begriffe begreifen wir die Welt.“
4. Werte zeigen sich im Konflikt - ein Beispiel
Besonders wichtig werden Werte, wenn etwas schiefläuft oder unerwartet passiert.
Beispiel: Bei der Einführung einer neuen Gesundheitsdienstleistung plante die Zentrale eine klassische Pressemitteilung und erhoffte sich davon eine möglichst große Wirkung. Doch bevor diese veröffentlicht war, postete eine Mitarbeiterin ein kurzes Video auf Instagram - und die Nachricht war draußen.
Ich erinnerte mich sofort an 2006: In einem Konzern, in dem ich damals arbeitete, war ein neues Unternehmen mit einem neuen Produktansatz versehentlich zu früh publik geworden. Die Stimmung damals: „Die Luft ist bleihaltig.“ Schuldzuweisungen, Sanktionen, harte Worte aus der Zentrale.
Nicht so bei dm. Werner sah die Aktion nicht als Kontrollverlust, sondern als Signal der Zeit. So verbreiten sich heute Neuigkeiten: authentisch, dezentral, aus der Mitte der Organisation. Und es entsprach den Werten: Eigenverantwortung und Handlungsfreiheit.
5. Arbeiten bei dm - aus der Kultur selbst
dm beschreibt seine Kultur auf der Website selbst so:
„Arbeiten bei dm bedeutet, miteinander zu sprechen, sich auszutauschen und Dinge zu hinterfragen. Dies zeichnet unsere Unternehmenskultur aus. Eine Umgebung also, in der Mitarbeitende selbstständig agieren und so unsere Arbeitsgemeinschaft mitgestalten.“
Genau das spiegelte sich im Umgang mit der Instagram-Aktion wider: Nicht Zentralismus, sondern Vertrauen. Nicht Kontrolle, sondern Eigenverantwortung. Nicht Abwehr, sondern Dialog.
6. Werte, die den Unterschied machen
Die Auszeichnung als beliebtester Arbeitgeber Deutschlands zeigt: Diese Haltung wirkt. Werte sind hier kein Poster im Büro, sondern prägen das tägliche Handeln - gerade auch in Konfliktsituationen.
Oder, wie Christoph Werner sagt:
„Unsere Zusammenarbeitskultur lebt von konstruktivem Miteinander, Offenheit für neue Ideen und Umsetzungsorientierung. Diese Auszeichnung unterstreicht, wie wichtig es ist, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das sich an der Potentialität der Menschen orientiert und gemeinsame Entwicklung ermöglicht.“
7. Mein Impuls
- Welche Rolle spielen Vision, Mission und Werte in deinem Unternehmen - Pflichtübung oder echter Kern des Handelns?
- Welche Begriffe nutzt ihr - und welche Haltung transportieren sie?
- Wie reagiert ihr in Konfliktsituationen: mit Kontrolle oder mit Vertrauen?
Denn genau dort entscheidet sich, ob Kultur wirklich wirkt - oder nur ein schöner Text auf der Website bleibt.