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Die große Kündigungswelle

Die „innere Kündigungswelle“ der Deutschen!

Die Nachrichten zur Great Resignation in den USA flammen wieder auf. In Deutschland ist die Kündigungswelle bisher kein großes Thema gewesen, weil sie hierzulande nur in den Köpfen stattgefunden hat. Aber ist das gut?

Unternehmen in den USA haben zwischen April bis Juni dieses Jahres 11,5 Millionen Arbeitnehmer:innen verloren, und der Trend scheint anzuhalten. Arbeitgeber traf das unvorbereitet, weil es historisch gesehen eine Ausnahme war: In Krisen halten Menschen an ihren Jobs fest, so die Regel.

In Deutschland hat das Phänomen der großen „Völkerwanderung“ physisch bisher nicht stattgefunden – in den Köpfen allerdings sehr wohl. Wir konnten das in vielen Gesprächen hautnah erleben: Nach dem ersten Schock haben sich viele Kandidat:innen gefragt, ob sie noch bei dem richtigen Unternehmen beschäftigt sind, wie zukunftssicher ihr Job ist, ob sie nicht etwas Sinnstiftenderes als bisher machen sollten. Wenig verwunderlich, dass man sich diese Fragen auch eher im Homeoffice stellt als im Trubel des Büroalltags, zwischen Meetings und Abstimmungen. Wenn es dann aber konkret wurde, war die Wechselbereitschaft schnell verschwunden: Trotz sehr guter Optionen machten viele Kandidat:innen einen Rückzieher. Die Regel vom Festhalten am Job in der Krise traf hierzulande also zu.

US-Amerikaner:innen sind eben wesentlich handlungsfreudiger als Deutsche, mag man einwenden, das ist ein Wesensmerkmal ihrer Kultur. Außerdem sehen sie sich öfter zum Handeln gezwungen, weil sie nicht so weich aufgefangen werden, wenn ihre Firma in schwieriges Gewässer gerät. Das Kurzarbeitergeld schien deutsche Kandidat:innen – so unser Eindruck – in ihrem Job zu halten, ihre Veränderungsenergie abzufedern. Hat sich die Kündigungswelle in Deutschland damit zurückgezogen, bevor sie sich richtig aufgebaut hat? Selbst wenn dem so ist, hat der Kündigungswunsch in den Köpfen etwas verändert. Stehen wir vielleicht vor der deutschen Variante der großen Resignation, dem Resignieren? Das kann Mitarbeiter:innen wie Unternehmen lähmen.

Ich habe mich gefragt, was es bedeutet, dass Menschen in westlichen Industrienationen erstmals trotz Krise kündigen wollen. Sind die Bedingungen in Unternehmen so schlecht wie nie zuvor? Oder ist diese Krise anders als alle zuvor? Wenn wir gelernt haben, dass die Zukunft nicht planbar ist, wie fühlt sich dann das Planungsdogma in vielen Firmen an? Können wir Performance weiter so ego- und teamzentrisch messen wie bisher, wenn wir erlebt haben, dass unser Verhalten ständig und unausweichlich verbunden ist mit dem aller anderen? Oder ist die Folge ein inneres Paradox? Einfacher gesagt: Ich glaube Widersprüche dieser Art werden uns in Zukunft stark beschäftigen und damit die Frage. Wie viel Abstand liegt zwischen der Wirklichkeit von Individuen und der Wirklichkeit von Unternehmen sowie Regierungen und Institutionen?

Über den Autor

Dr. Sebastian Tschentscher findet mit seiner Executive Search Boutique „Digital Minds“ die besten digitalen Köpfe für Ihr Unternehmen.

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