Wer mir hier folgt, weiß, dass sich die meisten meiner Ratschläge und Kritikpunkte bei Neueinstellungen an die Unternehmens- und nicht an die Kandidatenseite richten. Das liegt nicht nur daran, dass wir in Zeiten des Fachkräftemangels leben und sich Unternehmen daher generell anstrengen müssen, um die passenden Menschen für sich zu gewinnen. Sondern meistens sind Kandidatinnen und Kandidaten einfach schneller in der Kommunikation, klarer und transparenter in den Entscheidungen und halten sich besser an verabredete Prozesse und nächste Schritte. Unternehmen muss ich im Hinblick auf diese Themen viel öfter "ermahnen".
Es gibt aber auch einige Untugenden bei Kandidaten, die zum Glück sehr selten vorkommen, dafür aber umso gravierender sind:
Das eine ist das "Ghosting", also das Sich-nicht-mehr-melden, nachdem man bereits im Austausch war und dies trotz mehrerer Kontaktversuche auf verschiedenen Kanälen. Das ist besonders unangenehm, wenn es schon Gespräche zwischen der betreffenden Person und dem Unternehmen gab und dieses den Einstellungsprozess gerne fortsetzen würde.
Eine zweite Unsitte ist die "hidden agenda" mancher Kandidaten:
Im Zuge der Interviews kläre ich nicht nur, ob jemand fachlich und persönlich zu dem Unternehmen und der betreffenden Position passt, sondern auch, ob die Vorstellungen bzgl. der wesentlichen Rahmenbedingungen (insb. Gehalt und remote-Regelung) zusammenpassen.
Manchmal kommt es hier vor, dass Kandidaten mir gegenüber andere Angaben machen als später gegenüber dem Unternehmen. Wohlmeinend gehe ich in solchen Fällen zunächst davon aus, dass es sich um ein kommunikatives Missverständnis handelt oder sich in der Zwischenzeit etwas geändert hat. Und meistens ist das auch so. Manchmal musste ich dann aber feststellen, dass Kandidaten eindeutig mir gegenüber andere Angaben gemacht und offenbar bewusst eine "hidden agenda" verfolgt haben. Vermutlich mit dem Ziel, zunächst "in den Prozess zu kommen" und dann später ein besseres Verhandlungsergebnis "herauszuholen".
Das ist ein No-Go und ich kann von einem solchen Vorgehen nur dringend abraten. Zum einen hat das nach meiner Erfahrung noch nie funktioniert: Unternehmen werden nicht plötzlich von ihren Rahmenbedingungen völlig abweichen, vor allem, wenn sie merken, dass jemand "mehr herausholen" möchte. Zum anderen geht jegliches Vertrauen verloren. Es wurde in solchen Fällen schon vermutet, dass ich (und nicht der Kandidat) hier versehentlich oder bewusst falsche Angaben kommuniziert hätte. Da Vertrauen mein zentraler Wert ist, käme ich nie auf die Idee, falsche Informationen weiterzugeben. Vertrauen setzt nicht nur voraus, dass man nicht explizit lügt, sondern eben auch, dass man keine "hidden agenda" verfolgt. Kandidaten, die das tun, haben sich somit für mich disqualifiziert.
