1. Wissen war einmal Macht
Lange Zeit galt: Wer am meisten wusste, hatte den größten Einfluss. Führung bedeutete, die Antworten zu haben, Orientierung zu geben, Expertise auszustrahlen.
Doch das Prinzip verliert rasant an Bedeutung. In einer Welt, in der künstliche Intelligenz in Sekunden Daten analysiert, Strategien entwirft und sogar Texte schreibt, verliert Wissen seinen Vorsprung.
Was bleibt, ist etwas anderes - etwas zutiefst Menschliches: Persönlichkeit, Haltung und die Fähigkeit, andere zu führen.
2. Was mir in acht Jahren Executive Search klar geworden ist
Seit acht Jahren begleite ich Executive Searches - mehrere hundert in unterschiedlichen Branchen und Unternehmensgrößen. Und ich habe in dieser Zeit eines gelernt:
Wenn eine Besetzung nicht funktioniert, liegt es NIE am Fachwissen.
In allen Fällen, in denen eine Führungskraft während der Probezeit gescheitert ist oder das Unternehmen freiwillig verlassen hat, waren die Gründe immer dieselben: fehlende Persönlichkeitspassung, mangelnde Führungskompetenz oder kulturelle Inkompatibilität.
In keinem einzigen Fall war das Problem fehlendes Know-how.
Und trotzdem: Bei vielen Neubesetzungen wird immer noch zuerst über fachliche Qualifikationen gesprochen und viel zu wenig darüber, wer ein Mensch ist und wie er führt.
3. Die Illusion des Wissens und was wirklich zählt
In Gesprächen höre ich oft Sätze wie: „Wir suchen jemanden, der Dinge vorantreibt.“ Oder: „Wir brauchen eine Persönlichkeit mit Führungsstärke.“
Doch selten wird geprüft, was das konkret bedeutet. Was heißt „Führungsstärke“ in diesem Kontext? Wie zeigt sich Umsetzungsorientierung im Verhalten? Wie reagiert jemand unter Druck, in Konflikten oder bei Widerstand?
Deshalb führe ich mit allen Kandidatinnen und Kandidaten persönliche Stärkenanalysen durch, um genau das sichtbar zu machen: Welche Verhaltenspräferenzen und Persönlichkeitsmuster stehen hinter der Fassade des Lebenslaufs?
Denn dort entscheidet sich, ob jemand langfristig Erfolg hat.
4. Führung braucht Demut, nicht Allwissenheit
Gerade in Zeiten, in denen Maschinen besser rechnen, schreiben und analysieren können als Menschen, wird klar: Führung bedeutet nicht, mehr zu wissen, sondern mehr zu verstehen.
Demut heißt hier nicht Schwäche, sondern Einsicht: Ich muss nicht alles wissen. Aber ich muss wissen, wer ich bin, wie ich wirke und wie ich mit anderen Menschen umgehe.
Kluge Führungskräfte erkennen: Sie sind keine Wissensspeicher; sie sind Sinnstifter, Richtungsgeber, Persönlichkeitsverstärker.
5. Persönlichkeit als Wettbewerbsvorteil
In Zukunft wird der Unterschied zwischen erfolgreichen und erfolglosen Führungskräften nicht mehr in deren Wissensstand liegen, sondern in ihrer Fähigkeit, Vertrauen zu schaffen, Komplexität zu reduzieren und Teams emotional zu führen.
Persönlichkeit wird zur neuen Währung. Und Demut - die Fähigkeit, zu lernen, zu hinterfragen und zuzuhören - zu ihrem Zins.
6. Mein Impuls:
- Wie viel Raum nimmt bei euch das Thema Persönlichkeit in Auswahlprozessen wirklich ein?
- Wann hast du das letzte Mal bewusst hinterfragt, wie du führst und nicht nur, was du tust?
- Und wo wäre es an der Zeit, weniger zu wissen und mehr zu verstehen?
Führung beginnt nicht mit Wissen, sondern mit Selbstkenntnis. Und die neue Stärke heißt: Demut.