Was man aus den heutigen Reden der Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz über wirksames Vortragen lernen kann.
Als parteipolitisch-neutraler Beobachter habe ich heute Vormittag die Reden von Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen auf dem ersten voll digitalen Parteitag der CDU mit großem Interesse verfolgt. Am Ende der Reden und noch vor der Abstimmung war mir klar, aus rhetorischer Sicht gab es einen deutlichen Sieger: Armin Laschet. Viele werden sagen, dass die meisten der 1001 Delegierten ihre Entscheidung nicht auf Basis der Reden, sondern bereits vorher aufgrund ihrer Überzeugungen oder Lagerzughörigkeit längst getroffen haben. Das mag sein, aber die letzten vielleicht 10 Prozent der Unentschlossenen kann man dann eben doch mit einem guten Auftritt für sich gewinnen oder mit einem schwachem Auftritt an einen Wettbewerber verlieren.
Nur Armin Laschet hat drei Regeln der Rhetorik beachtet, die allgemein gelten, besonders aber in digitalen Formaten wichtig sind:
Erstens: Wenn kein voller Saal zum Kochen gebracht werden kann, sollte man es auch nicht versuchen.
Merz und Röttgen haben gesprochen als stünden Sie vor einem vollen Saal - appellierend, lauter werdend, schnell. Das war nicht nur sinnlos, weil die Reaktion natürlich ausblieb, es war auch kontraproduktiv. Allein zu Hause vor dem Monitor wirkt eine solche Art des Vortrags im besten Fall anstrengend und im schlechtesten Fall anmaßend. Diese Rhetorik kann nur funktionieren, wenn jeder Gedanke vom begeisterten Publikum laut bejubelt und bestätigt wird. Im virtuellen Raum ist man gewissermaßen zu zweit mit dem Vortragenden. Hier möchte man keine Apelle hören oder angebrüllt werden. Armin Laschet hat ruhig gesprochen, Pausen gemacht und dadurch Intimität und Nähe erzeugt - soweit das in diesem Format möglich ist. Erster Punkt für ihn.
Zweitens: In 15 Minuten auf dem Bildschirm kommt es nicht auf Vollständigkeit an, sondern auf wenige klare Botschaften
Wenn die 1001 Delegierten im Saal gewesen und die Reden mit allen Sinnen wahrgenommen hätten, wäre die Aufmerksamkeit vielleicht groß genug gewesen, um eine längere Rede mit vielen Aspekten und Themen gut aufzunehmen. In der digitalen Welt funktioniert das nicht. Klarheit, Kürze und Prägnanz sind also noch wichtiger als sonst. Auch hier geht der Punkt an Armin Laschet. Seine drei Botschaften waren für mich klar:
- Als einziger von uns Dreien bekleide ich gerade ein wichtiges politisches Amt und weiß daher, wie man über große Themen nicht nur spricht, sondern sie jeden Tag auch umsetzt. Dafür hat er das plastische Beispiel des Kohleausstiegs angeführt, den er nicht nur in Berlin mit beschließen, sondern dann auch vor Ort den Beschäftigten der Kohleindustrie beibringen musste.
- Ja, ich stehe für ein "Weiter so", aber wir stehen in Deutschland auch gut da und deshalb ist das nicht das Schlechteste. Das war clever, denn den großen Reformator hätte man ihm eh nicht abgenommen. Also lieber aus der vermeintlichen Not eine Tugend machen und "Tacheles" reden, wie er selber formulierte.
- Vertrauen ist das wichtigste in einem politischen Amt und das gilt in Krisenzeiten umso mehr. Mir könnt ihr Vertrauen. Diese Botschaft war seine wichtigste und er hat sie mit eine sehr persönlichen Geschichte untermauert - dazu gleich mehr.
Natürlich haben auch Merz und Röttgen Botschaften zu transportieren versucht. Röttgen wollte sich als der Modernisierer darstellen, ist aber zu vorsichtig darin geblieben und hat nicht wirklich gesagt, was er anders machen möchte. Außerdem hat er sich an den drei Buchstaben "C", "D" und "U" abgearbeitet, um hieran alle wichtigen Themen festzumachen und die Parteiseele zu streicheln. So richtig hängengeblieben ist nicht viel. Noch weniger habe ich von der Rede von Friedrich Merz in Erinnerung. Er will Wirtschafts- und Politikexperte sein, Frauen mehr fördern als man denkt und sich und die Partei stark fordern - zu wenig, zu blass, zu unklar.
Drittens: Wer Emotionen wecken will, muss Geschichten erzählen und etwas von sich preisgeben.
Diese letzte Regel ist die wichtigste und gilt in allen Formaten. Persönliche Geschichten, Bilder, die im Kopf entstehen, rühren uns und bleiben in Erinnerung. In allen drei einleitenden Kurzfilmen haben die Kandidaten jeweils gesagt, wie sie heißen, wie alt sie sind, dass sie verheiratet sind und wie viele Kinder sie haben. Gut zu wissen, aber nicht wirklich persönlich.
Nur Armin Laschet nutzt die Chance und erzählt von seinem Vater, einem Bergmann, der unter Tage hart arbeiten musste und dem es egal war, wie seine Kumpel aussahen oder welche Religion sie hatten, Hauptsache, man konnte sich auf sie verlassen. Der Bergmann unter Tage ist keine neue und keine besonders originelle Geschichte, aber sie passt in die Zeit: Auch in Krisen müssen wir zusammenhalten und uns aufeinander verlassen im Kampf gegen das Virus. Außerdem ist es nun einmal seine Familiengeschichte und die ist, wie sie ist. Die Marke, die der Bergmann nach seiner Rückkehr an den Haken hängt, steht für Hoffnung, Vertrauen und dafür, dass man sicher zurückgekehrt ist. Am Ende seiner Rede stellt er sich neben das Rednerpult, holt die Marke seine Vaters aus der Tasche, hält sie in die Kamera und sagt, dass sein Vater sie ihm für heute mit den Worten mitgegeben hätte: "Sag den Leuten, dass man dir vertrauen kann." Wow, das hätte ich Armin Laschet - ehrlich gesagt - nicht zugetraut. Der Pathos war gerade noch angemessen, um seine Botschaft zu verstärken. Hut ab. Man muss mutig sein, um so etwas zu wagen. Der Einsatz hat sich gelohnt und 521 Delegierte an ihren Bildschirmen überzeugt.