1. Wenn Kultur mit Benefits verwechselt wird
Wenn ich Vertreter von Unternehmen frage, welche Kultur bei ihnen gelebt wird, bekomme ich häufig kuriose Antworten.
Zuerst kommt ein Verweis auf tolle Sommer- und Weihnachtsfeste. Danach folgen Aufzählungen wie: „Wir haben Obstkörbe, einen Essenszuschuss, Zugang zum Fitnessstudio, flexible Arbeitszeiten, …“
Das klingt nett - aber es hat wenig mit Kultur zu tun.
Warum wird es trotzdem in diesem Zusammenhang genannt? Weil viele unter Unternehmenskultur vor allem das verstehen, was nicht direkt mit der Arbeit oder Bezahlung zu tun hat. So etwas wie: „Das, was eben sonst noch so im Büro passiert.“
Aber genau das greift zu kurz.
2. Was Unternehmenskultur wirklich ist
Kultur zeigt sich in zwei zentralen Fragen:
- Wie gehen Menschen miteinander um?
- Wie werden Entscheidungen getroffen?
Kultur ist nicht, was auf der Karriereseite steht. Kultur ist, was jeden Tag passiert. Sie entsteht, wenn Werte gelebt werden - nicht, wenn sie nur an der Wand hängen.
Und: Jede Organisation hat eine Kultur. Egal, ob dokumentiert oder über Jahre und Jahrzehnte „gewachsen“. Sie formt sich durch alltägliches Verhalten und Führungspraxis.
3. Kultur prägt Verantwortung und Haltung
Ein Beispiel: Wenn Entscheidungen fast ausschließlich durch die Geschäftsführung getroffen werden – ohne oder mit nur sehr geringer Einbindung der Mitarbeitenden – dann ist das nicht automatisch schlecht. Aber es hat Konsequenzen.
Denn wenn Mitarbeitende nicht beteiligt sind, fühlen sie sich auch nicht verantwortlich.
Später beklagt sich das Management dann: „Die Leute denken nicht mit. Die handeln nicht unternehmerisch.“ Die eigentliche Frage wäre:
Warum sollten sie? Wenn sie nicht mitentscheiden, warum sollten sie sich verantwortlich fühlen?
Kultur entsteht immer - die Frage ist nur, ob sie bewusst gestaltet wird.
4. Better Together - ein echtes Beispiel für gelebte Kultur
In einem meiner früheren Unternehmen hatten wir den Wert „Better Together“ definiert. Wir hatten vereinbart: Teamlösungen und gegenseitige Unterstützung haben immer Vorrang.
Das war keine leere Formel - es wurde gelebt. Man konnte sich sicher sein: egal worum es ging, alle haben mitgeholfen, Erfolge wurden gemeinsam gefeiert.
Eine ehemalige Kollegin wechselte später zu einem großen Konzern. Dort kam eines Tages ein Kollege aus einer anderen Abteilung auf sie zu und bat sie, ihm kurzfristig ein paar Kennzahlen zu schicken - zu einem Projekt, das sie verantwortete.
Sie erledigte das sofort - geprägt von der „Better Together“-Kultur, in der das selbstverständlich war. Doch kurz darauf bat ihre Vorgesetzte sie zum Gespräch:
„Bitte machen Sie das in Zukunft nicht ohne Rücksprache. Wir wissen ja nicht, was der Kollege mit den Infos vorhat. Vielleicht stellt er damit unsere Abteilung infrage.“
Sie solle an die „politische Dimension“ denken - der Vorstand diskutiere ohnehin, ob das neue Team sinnvoll sei…
Für meine Kollegin war das ein Schock. Helfen war plötzlich nicht nur unerwünscht - es war gefährlich für das eigene Team.
Das ist Unternehmenskultur in Reinform - nur eben keine gute.
5. Kultur als Grund für Burnout & Kündigung
Viele glauben, Mitarbeitende verlassen Unternehmen wegen zu wenig Gehalt oder fehlender Aufstiegschancen. Das kommt vor - aber in meiner Erfahrung gilt:
Die meisten gehen wegen der Kultur.
Weil sie nicht gehört werden. Weil sie nicht sie selbst sein dürfen. Weil sie spüren, dass Misstrauen, Machtspiele oder Intransparenz den Alltag bestimmen.
6. Mein Impuls
- Welche Kultur herrscht in deinem Unternehmen - wirklich?
- Wie werden Entscheidungen getroffen?
- Wie arbeitet ihr zusammen?
- Gibt es dafür klare Regeln? Oder „passiert“ einfach alles?
Als Führungskraft gehört die Arbeit an der Kultur zu deinen wichtigsten Aufgaben. Sie ist nicht das Nebenbei - sie ist das Fundament.
Also lass sie nicht einfach entstehen - gestalte sie aktiv.