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Sebastian Tschentscher und sein Vater

Ist es eigentlich besser, früh zu gründen – also sagen wir mit Mitte 20 – oder später im Leben, zum Beispiel mit Mitte 40? Meine These ist: die Vor- und Nachteile einer späten gegenüber einer frühen Gründung werden sich vermutlich die Waage halten: Als junger Mensch ist das Energielevel meistens höher, man stellt den Status Quo stärker infrage und ist bereit, die Welt zu verändern. Zwei Jahrzehnte später weiß man dafür besser, was wirklich erfolgsversprechend ist, wie man die Dinge am besten angeht und Rückschläge emotional verdaut.

Als ich in den neunziger Jahren Abitur gemacht habe, kannte ich niemanden, der gegründet hat. Die Fragen, die sich in meinem Abiturjahrgang alle stellten, waren: erst eine Ausbildung oder gleich mit dem Studium beginnen? Im letzteren Fall: was am besten studieren? Viele sind – wie ich auch – nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen: für Medizin zu faul, für Naturwissenschaften und Mathematik nicht schlau genug, Lehrer:in wollte man nicht werden, also blieb nur BWL oder Jura. Wenn dann nach abgeschlossenem Studium erst einmal die Karriere in einem Unternehmen begonnen wurde, ist der Weg bis zur Rente oft vorgezeichnet; höchstens wechselt man ein paarmal das Unternehmen und vielleicht sogar die Branche. Das war’s.

Was braucht man also für eine späte Gründung? Ich glaube, vor allem Mut. Und das liegt daran, dass man einfach mehr zu verlieren hat als in jungen Jahren. Es ist ja leicht auszurechnen, wie lange die Ersparnisse reichen, um seinen Lebensstandard ohne neue Einkünfte zu halten. Das habe ich auch gemacht und gezweifelt, ob eine späte Selbständigkeit wirklich das Richtige ist.

Zwei Überlegungen haben mir geholfen, den Sprung tatsächlich zu wagen: Erstens die Überzeugung, dass ich es irgendwann ansonsten bereuen würde, es nicht gemacht zu haben. Zweitens eine Reise in meine Vergangenheit fast 40 Jahre zurück: Damals war ich in der Grundschule, meine drei Brüder haben Zivildienst gemacht oder hatten bereits mit ihrem Studium begonnen. Unser Vater war angestellter Prokurist in einer Handelsfirma. Als er kündigte, um Unternehmer in demselben Bereich zu werden, kannte er zwar die Branche und hatte sein Netzwerk, aber ob der Sprung in die Selbstständigkeit funktionieren würde, war genauso ungewiss, wie es immer ist. Er hat es damals gewagt und war dann noch fast 30 Jahre erfolgreich selbständig tätig. Der große Unterschied zu mir heute: Er hatte vier Söhne in der Ausbildung, die zumindest zum Teil noch auf seine Unterstützung angewiesen waren. Wenn er damals den Mut zur späten Gründung hatte, sollte ich ohne Versorgungspflichten ihn ja wohl auch aufbringen.

Sehr gerne würde ich mich heute mit ihm über diese Gedanken austauschen und meine Sorgen und Überlegungen mit ihm teilen. Leider ist er vor zwei Jahren verstorben. Aber ich bin sicher, er hätte gesagt: Nur Mut!

Über den Autor

Dr. Sebastian Tschentscher findet mit seiner Executive Search Boutique „Digital Minds“ die besten digitalen Köpfe für Ihr Unternehmen.

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